Gilgamesch. Herr des Zweistromlandes. by Stephan Grundy

Autor:Stephan Grundy [Grundy, Stephan]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Krüger
veröffentlicht: 1998-12-31T23:00:00+00:00

3

Das gute Wetter hielt nicht an. Als die ersten Späher zwei Tage später im Morgengrauen außer Atem eintrafen und die Nachricht brachten, daß Aggas Heer gegen Mittag in Sichtweite kommen würde, fiel ein leichter Nieselregen aus dem stumpfgrauen Himmel und verwandelte die Ebene um Erech in ein Schlammfeld. Gilgamesch und Enkidu standen schon mit einer kleinen Schar von Anführern auf der Mauer, als sie die Nachricht erhielten. Sofort setzte Gilgamesch die bronzene Trompete, die an seinem Hals hing, an den Mund und blies das Signal zur Aufstellung in Schlachtreihen. Es blieb keine Zeit für lange Ansprachen, bevor die Männer abrückten, aber Ur-Lamma hatte ihm schon oft erklärt, daß ein paar kurze Sätze vor der Schlacht besser wären als eine lange Rede, und Gilgamesch hatte herausgefunden, daß das stimmte.

»Männer von Erech!« rief er, als die Truppen angetreten waren. »Die Zeit ist kurz, und der Feind naht. Auf nun zur Schlacht, um unsere Freiheit von Kisch zu erringen! Wir haben die Übermacht, wir werden nicht verlieren. Denkt daran, daß man sich der Namen derer, die tapfer kämpfend fallen, erinnern und für ihre Familien sorgen wird und daß die, die überleben, großen Ruhm ernten werden. Vorwärts -für Inanna und Erech!«

»Für Inanna und Erech!« erscholl es und setzte sich brausend durch die Reihen fort, da die vorderen Männer Gilgameschs Worte an die hinter ihnen Stehenden Weitergaben. Die Banner mit dem achtzackigen Stern der Göttin wurden erhoben, Signalhörner schmetterten durch die feuchte Luft, und die Schlachtreihen setzten sich in Bewegung. Schnell bestiegen Gilgamesch und Enkidu ihren Streitwagen. Enkidu trieb die Wildesel an, damit sie ihren Platz an der Spitze der

Schar von ausgewählten Kriegern des Lugal einnehmen konnten, unmittelbar hinter den Bogenschützen und den Männern mit Steinschleudern. Ur-Lamma blieb auf der Festungsmauer, von wo er den Kampfverlauf beobachten und Boten zu Gilgamesch schicken konnte. Unter ihm warteten die Reihen der Ersatzkrieger, bereit, notfalls an die Stelle der Gefallenen zu treten oder einen kämpfenden Rückzug zu decken.

»Bist du kampfbereit?« fragte Gilgamesch Enkidu, als sie hinausfuhren.

Enkidu grinste. »Wie sollte ich es nicht sein? Die Wartezeit erschien mir sehr lang, denn ich brenne darauf, Agga Auge in Auge gegenüberzustehen.«

Einen Augenblick glaubte Gilgamesch hinter Enkidus dichtem, goldenen Bart die Fangzähne eines Löwen zu sehen. Es geschah nicht oft, daß Enkidu noch die Wildheit des Tiers zeigte, doch jetzt konnte Gilgamesch fast den Geruch wahrnehmen, den durchdringenden Moschusgeruch eines Löwen, der sein Rudel verteidigt. Es war ein beruhigender Geruch, denn obwohl Gilgamesch wußte, daß hinter seinem Streitwagen die besten Kämpfer Erechs marschierten, gab es doch keinen mächtigeren Beschützer für ihn als Enkidu, seinen Gefährten.

Obwohl sich die Sonne hinter einer Wolkendecke vor ihren Blicken verbarg, schätzte Gilgamesch, daß es fast Mittag war, als sie den schwachen Ton eines fremden Signalhorns vernahmen, gefolgt von einem ihrer Hörner, das das Herannahen von Aggas Armee meldete. Die Männer mit den Schleudern gingen nach vorne und stellten ihre Körbe mit den schweren Kugeln aus gebranntem Ton ab, die Bogenschützen nahmen die Bogen von den Schultern und zogen aus geölten Ledertaschen die Sehnen. Wenngleich seine Einheit soweit

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